An ihrem 75sten Geburtstag verlässt meine Mutter ihre Wohnung im Liebefeld, um mit dem Bus in die Stadt zu fahren. Beim Vorbeigehen leert sie noch den Briefkasten.
Unter den Sendungen befindet sich auch ein an sie adressiertes Informationsschreiben einer Sekte, unerwünscht und irgendwo in der Grauzone zwischen Werbung und Bettelbrief. Die Drucksache entsorgt sie im Abfalleimer an der Bushaltestelle.
Dieser mit Freunden und Familie gemütlich verbrachte Geburtstag hatte leider ein unschönes Nachspiel; Nur gerade 6 Tage später schickt die Gemeinde Köniz meiner Mutter per "A-Post Plus" eine Busse für "vorsätzliche, illegale Abfallentsorgung" von 35CHF sowie eine Rechnung für Arbeitsaufwand von 39CHF.
Dazu die notwendigen rechtlichen Belehrungen, so wird gemäss dem Schreiben
mit einer Busse [...] bestraft, wer vorsätzlich andere Abfälle als unterwegs angefallene Kleinabfälle in öffentlichen Abfallbehältern der Gemeinde entsorgt.
Liebe Gemeinde Köniz, könnt Ihr mir und Euren Bürgern helfen und offen kommunizieren wo Ihr die Linie zieht zwischen "unterwegs angefallenen Kleinabfällen" und einer "illegalen Abfalldeponie"? Ich helfe schon mal mit einer kleinen Liste von Dingen, welche im Alltag in den öffentlichen Abfalleimern landen dürften:
- Beim Verlassen der Wohnung aus dem Briefkasten entnommenes Werbeschreiben: Wir wissen unterdessen, dass Sie diesen Fall als "unerlaubterweise in einem öffentlichen Abfallbehälter deponiertes Altpapier" behandeln. Wird gebüsst!
- Beim Verlassen der Wohnung leer getrunkene Energy-Drink Dose: Logischerweise handelt es sich hier - analog zum Altpapier - um den illegalen Akt einer "unerlaubterweise deponierten Aludose". Muss gebüsst werden!
- Abfall vom take-away Lunch: Der Styroporbehälter mit Besteck, Plastiksack und mehreren öligen Papierservietten und einem mehrfachen vom Volumen eines Werbeschreibens kann logischerweise nicht als Kleinabfall bezeichnet werden. Muss gebüsst werden!
- Gebrauchtes Papiertaschentuch: Der Name sagt es ja ganz offensichtlich, es handelt sich hier um Papier. Gehört also ins Altpapier und nicht in den öffentlichen Behälter. Muss gebüsst werden!
Weshalb stellt Ihr eigentlich Abfallbehälter auf, wenn Ihr dann alle kriminalisiert welche diese benützen? Aber zum Glück ist ja nicht auf jedem Stück Abfall eine Adresse aufgedruckt, sonst müsstet Ihr noch ein paar Vollzeitstellen schaffen um all die Bussen zu handhaben.
Was aber ganz klar ist: Indem Ihr in den öffentlichen Abfällen schnüffelt, schikaniert Ihr willkürlich ein paar wenige Bürger welche das Pech hatten, adressierten Abfall zu entsorgen (während alle anderen Bürger diesen Zirkus finanzieren). Das Wühlen im Müll und Ausstellen von Bussen scheint mir absolut unangemessen. Und der pädagogische Effekt bleibt ohnehin völlig offen. Ich kann Ihnen verraten dass meine Mutter seit Lebzeiten auf der Strasse liegenden Müll Anderer einsammelt, vorbildlich und urschweizerisch Abfall trennt sowie korrekt entsorgt. Was meinen Sie, haben Sie jetzt mit Ihrer Busse erreicht? Mehr Vertrauen in die Behörden und deren sinnvollen Einsatz der Steuergelder vielleicht?
Eine Busse plus Gebühr von total 74CHF ist ja weder richtig viel, noch wirklich wenig Geld. Aber ganz sicher wird Otto-Normalverbraucher davor zurückschrecken sich zu wehren, da er weder die Zeit noch die Mittel hierzu hat.
Bitte sagen Sie mir, dass das Ganze nur ein schlechter Witz Ihrer Verwaltung war. Und dass Sie in Wirklichkeit Ihre Bürger wie mündige Nachbarn behandeln.